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2. Dezember 2020
Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nach dem Regierungsentwurf StaRUG in der Sanierungspraxis

Viele Unternehmen stehen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand. Ökonomen prognostizieren ein Ansteigen der Anzahl von Firmenpleiten und rechnen mit einer große Insolvenzwelle in den kommenden Monaten.

Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und die daraus resultierenden Krisenfolgen für viele Unternehmen haben die Bestrebungen der Bundesregierung zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren beschleunigt.

In diesem Zusammenhang versucht nun die Bundesregierung mit dem am 14. Oktober 2020 vorgelegten Gesetzesentwurf zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts[1] (SanInsFoG-E) der Aufforderung des Europäischen Parlaments vom 20. Juni 2019 nachzukommen, die EU-Restrukturierungsrichtlinie[2] in nationales Recht umzusetzen. Das Gesetz befindet sich zurzeit noch im Gesetzgebungsverfahren, soll sich aber nahtlos an die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz anschließen.

Kernstück des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes bilden die Anpassungen der Insolvenzordnung (InsO) und das neugeschaffene Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz; kurz StaRUG genannt.

Die letzten großen Änderungen des Insolvenzrechts gab es zuletzt im Jahr 2011 mit der Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)[3], bei dem das Insolvenzplanverfahren[4] für die Insolvenzpraxis in bedeutsamer Weise erweitert wurde und zuletzt mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz[5] (COV-InsAG), bei dem die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zeitlich befristet bis zum 30. September 2020 und vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 allein wegen Überschuldung ausgesetzt wurde.

Was ist neu an dem Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz?

Neu am Gesetz ist das Schaffen eines Rechtsrahmens zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen, der es Unternehmen ermöglichen soll, sich auf der Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren.

Mit dem Restrukturierungsplan soll die Lücke geschlossen werden, die das geltende Sanierungsrecht zwischen der freien und auf Konsens aller Beteiligten (Gläubiger) ausgerichteten Sanierung und der insolvenzverfahrensförmigen Sanierung mit alle ihren Nachteilen – wie Kontrollverlust, Reputationsschäden und hoher Kosten – gelassen hat.

Dieser Restrukturierungsrahmen soll es dem Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu führen und den Plan selbst zur Abstimmung zu stellen.

Die Sanierung soll außerhalb eines Insolvenzverfahrens und auch ohne die Bestellung eines Insolvenzverwalters ablaufen. Bei Zustimmung aller beteiligten Parteien zum Restrukturierungsplan soll dieser auch ohne jegliche gerichtliche Befassung wirksam werden können. Durch die weitere Geschäftsführung des Schuldners, orientiert an den Interessen der Gläubiger, soll dies gerechtfertigt sein. Der Schuldner soll dieses Verwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorbereiten, also bevor er unter den von einer akuten Zahlungsunfähigkeit ausgehenden Handlungsdruck gerät.

Für die Begleitung des Verfahrens soll die Position des Restrukturierungsbeauftragten geschaffen werden, welche bisher nach dem deutschen Recht nicht bekannt war.

Die Aufgaben des Restrukturierungsbeauftragten werden in diesem Verfahren darin bestehen, den Schuldner oder die Gläubiger bei der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans zu unterstützen, die Tätigkeit des Schuldners während der Verhandlungen zu überwachen, der Justiz- oder Verwaltungsbehörde Bericht zu erstatten und bei Bedarf die Kontrolle über die Geschäfte oder die Vermögenswerte des Schuldners während der Verhandlungen zu übernehmen.

Zum Restrukturierungsbeauftragten können geeignete und in Restrukturierungs- und Insolvenzsachen erfahrene Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und sonstige natürliche Personen mit vergleichbarer Qualifikation bestellt werden[6]. Die Bestellung erfolgt vom Restrukturierungsgericht und kann auf Vorschlag des Schuldners, der Gläubiger und der an dem Schuldner beteiligten Personen erfolgen.

Für den Restrukturierungsbeauftragten bietet sich ein sehr breites Aufgabenspektrum, welche die Aufgaben des Insolvenzverwalters und des Sachwalters mit denen eines Beraters und Mediators verbinden soll.

Wie funktioniert das Verfahren?

Kern dieses Verfahrens wird der sogenannte „Restrukturierungsplan“ sein.

Beim Restrukturierungsplan geht es für Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befinden, im Grunde um eine Restrukturierung der Passivseite ihrer Bilanz außerhalb des Insolvenzverfahrens. Das Unternehmen soll sich also von zu hohen Verbindlichkeiten befreien können. Diese soll auch gegen den Willen einzelner Gläubiger möglich sein (finanzwirtschaftliche Sanierung).

Dieser neue Restrukturierungsrahmen lehnt sich an das eigenverwaltungsbasierte Insolvenzplanverfahren an und soll es dem Unternehmen grundsätzlich ermöglichen, die Verhandlungen zu dem Plan selbst zu führen und zur Abstimmung zu stellen.

Wenn man davon ausgeht, dass das Kernziel des Insolvenzplans ist, für wenigstens eine Gruppe der Beteiligten bessere Ergebnisse zu erzielen als im Fall der gesetzlichen Regelabwicklung im Insolvenzverfahren, besteht der große Unterschied zum Restrukturierungsplan darin, dass dieser die beiden Ziele[7] verfolgt, die Insolvenz des Schuldners zu verhindern und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. Genau an dieser anderen, aber klaren Zielsetzung werden sich auch die Gestaltungsmöglichkeiten orientieren.

Ab wann und für wen kommt das Restrukturierungsverfahren in Frage?

Geplant sind nach dem Regierungsentwurf für die allermeisten Regelungen (des SanInsFoG, des StaRuG und für die Änderungen der InsO) ein Inkrafttreten bereits zum 1. Januar 2021.

Aktuell ist aber davon auszugehen, dass das Gesetz erst im Laufe des Jahres 2021 in Kraft treten wird.

Die Instrumentarien des Rahmens sollen nur im Stadium der drohenden und noch nicht eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zur Verfügung stehen. Ist ein Schuldner bereits zahlungsunfähig oder überschuldet, verbleibt dem Schuldner auch weiterhin nur die Einleitung eines Insolvenzverfahrens.

Wichtig ist, dass die Restrukturierung gut vorbereitet wird, da nur so Vollstreckungs- und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens erwirkt werden können. Außerdem muss das Unternehmen während des Verfahrens fortgeführt werden können. Hierzu ist zuvor eine Fortführungsprognose aufzustellen. Diese muss auf Basis einer integrierten Unternehmensplanung aufgestellt werden.

Liegen bereits Rückstände gegenüber Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, dem Finanzamt oder Lieferanten vor oder ist das Unternehmen in den letzten drei Jahren nicht seinen Rechnungslegungspflichten nachgekommen, sollen solche Sperren nur erwirkbar sein, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, die Restrukturierung unter Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft zu betreiben.

Wie beurteilen wir das Verfahren?

Das Engagement des Gesetzgebers, Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen in Deutschland durch vorinsolvenzrechtliche Restrukturierungsmaßnahmen zu erweitern, halten wir für sinnvoll.

Auch wenn es bereits kritische Stimmen zu Details des Gesetzgebungsverfahrens gibt, bewerten wir die Einführung eines präventiven Restrukturierungsrahmens und die strengeren Zugangsvoraussetzungen zur Eigenverwaltung grundsätzlich als positiv.

Gerade das frühzeitige Erkennen der Krise durch Frühwarnsysteme kann dazu führen, Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Auch das schnelle Eingreifen durch einen Restrukturierungsplan und die verbesserte Durchsetzungsfähigkeit der Maßnahmen gegenüber einzelnen opponierenden Gläubigern (sog. Akkordstörer) ist aus unserer Sicht gut geeignet, Unternehmen zu sanieren.

Es handelt sich insgesamt um eine pragmatische und schlankere Lösung als die Sanierung über ein späteres Insolvenzplanverfahren. Insbesondere die Erlaubnis, für gut vorbereitete Unternehmen weitgehend auf Gutachter und gerichtliche Einbindung zu verzichten, kann eine Möglichkeit darstellen, damit Unternehmen schneller aus der Krise herauskommen.

Unseres Erachtens könnten Instrumente noch wirksamer eingesetzt werden, wenn sie von den Unternehmen nicht erst bei drohender Zahlungsunfähigkeit, sondern bereits frühzeitiger in der Ertragskrise genutzt werden könnten; so auch die Auffassung des Instituts der Wirtschaftsprüfer[8].

Die Sanierungsmöglichkeiten wurden durch die Eigenverwaltung und das Insolvenzplanverfahren bereits gestärkt und bieten damit einen praktikablen Rahmen für die ganzheitliche Restrukturierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens an.

So wird sich der Restrukturierungsplan insbesondere für die Fälle der insolvenzvermeidenden Restrukturierungen als Werkzeug anbieten, bei dem Akkordstörer zu einer Mitwirkung an der finanzwirtschaftlichen Restrukturierung animiert werden sollen.

Ob sich der Restrukturierungsplan in der Praxis durchsetzen und somit zum Mittel der Wahl zur frühzeitigen finanzwirtschaftlichen Restrukturierung von Unternehmen wird oder lediglich in Ausnahmekonstellationen zum Einsatz kommen wird, hängt stark von der Ausgestaltung des sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes ab.

Bleibt es bei den Regelungen des Entwurfs, so wird dieses Verfahren aufgrund der Formalien und der Kosten nicht für KMUs geeignet sein, bei denen es eine überschaubare Anzahl von Gläubigern gibt.

Die bisherige außergerichtliche Sanierung durch Einzelverhandlungen insbesondere mit den Kreditgebern wird da weiterhin die erste Wahl der Mittel bleiben.

 

[1] Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz
[2] Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz) (ABl. L 172 vom 26.6.2019, S. 18)
[3] Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7. 12. 2011, BGBl I 2011, 2582. Gemäß Art. 10 ist das Gesetz auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die ab dem 1. 3. 2012 eröffnet werden.
[4] Insolvenzplanverfahren nach den §§ 217 ff. InsO
[5] Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz, (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG)
[6] § 81 Abs. 1 StaRuG-E (Bestellung)
[7] Art. 8 I Buchst. h der EU Richtlinie 2019/1023
[8] IDW-Stellungnahme vom 02.10.2020 zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Carsten Deecke
Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | Fachberater für Sanierung u. Insolvenz­verwaltung (DStV e.V.)
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Robert Lackmann
Steuerberater
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