22. September 2022
„Es drohen jetzt Bußgelder bei Verstößen gegen das Nachweisgesetz“

Interview mit Johann Moritz Leverkühn, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Dierkes Partner, zu den Änderungen des Nachweisgesetzes.

Herr Leverkühn, das Nachweisgesetz wurde geändert. Bisher sagt dieses Gesetz aber sicherlich nicht jedem etwas. Woran liegt das?

Das Nachweisgesetz gibt es zwar schon länger, aber es hat bisher einen Dornröschenschlaf gefristet, weil Verstöße gegen dieses Gesetz keine wirklichen Konsequenzen hatten. Es verpflichtet Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsvertrages aufzuzeichnen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dem sind zwar letztendlich viele Arbeitgeber nachgekommen, weil sie schriftliche Arbeitsverträge verwendet haben. Aber Verstöße gegen das Nachweisgesetz hätten trotzdem kaum Konsequenzen gehabt. Das Nachweisgesetz war daher eher ein zahnloser Tiger. 

Ist dies durch die Änderungen anders geworden? Zeigt das Nachweisgesetz jetzt also mehr Zähne? 

Ja, jetzt hat der Tiger durchaus ein paar Zähne im Mund. Aber Spaß beiseite: Neben anderen Änderungen sieht das Nachweisgesetz jetzt bei Verstößen Bußgelder vor. Deshalb sollte sich jeder Arbeitgeber mit dem Thema auseinandersetzen und seinen Pflichten nachkommen.

Bußgelder? Das klingt unangenehm. Was müssen Arbeitgeber wissen bzw. was müssen sie beachten? 

Kurz zusammengefasst, ist jeder Arbeitgeber seit dem 01.08.2022 verpflichtet, Mitarbeitern bei der Einstellung einen schriftlichen Nachweis über die wesentlichen Arbeitsbedingungen auszuhändigen. Dieser Nachweis muss vom Arbeitgeber unterschrieben werden. Das Nachweisgesetz legt fest, welche Angaben dieser Nachweis in jedem Fall enthalten muss. Insgesamt sieht das Gesetz hier jetzt 15. Unterpunkte vor. Dazu gehören beispielsweise Name und Anschrift der Parteien, eine kurze Charakterisierung der Tätigkeit, die Zusammensetzung des Gehalts, einschließlich Angaben zu Überstundenvergütung, Zuschlägen oder auch die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Die Liste der nachzuweisenden wesentlichen Arbeitsbedingungen ist damit länger geworden.

Was ist Ihre Empfehlung, um diese Pflicht in der Praxis umzusetzen?

Zum Glück entfällt die Verpflichtung zur Aushändigung des Nachweises, wenn die Angaben bereits in einem schriftlichen Arbeitsvertrag niedergelegt sind. Die meisten Unternehmen, so ist jedenfalls meine Erfahrung aus der Praxis, verwenden unterdessen schriftliche Arbeitsverträge, und wenn diese auf dem aktuell empfehlenswerten Stand sind, decken sie damit bereits einen Großteil der Angaben ab, die das Nachweisgesetz verlangt. Aber nicht alle der Angaben gehören in den Arbeitsvertrag. Daher empfehlen wir, dass die Arbeitgeber den neu eingestellten Mitarbeitern neben dem Arbeitsvertrag, den beide Parteien unterschreiben, noch ein Schreiben aushändigen, in welchem die nachzuweisen Angaben gemacht werden, die noch nicht im Arbeitsvertrag enthalten sind. Wir empfehlen auch Arbeitsvertrag und das „Nachweisschreiben“ stets vor Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen. Das Nachweisgesetz verlangt zwar nicht, dass alle Angaben sofort bei Beginn des Arbeitsverhältnisses gemacht werden, sondern sieht für die unterschiedlichen Angaben teils verschiedene Fristen vor. Die Sache aber zu Beginn in einem „Abwasch“ zu erledigen, verringert den administrativen Aufwand und das Risiko etwas zu vergessen. Den Erhalt des Nachweisschreibens sollte man sich schriftlich bestätigen lassen und zusammen mit einem vom Mitarbeiter unterschriebenen Exemplar des Arbeitsvertrages zur Personalakte nehmen. Ändern sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen später, sind die Mitarbeiter auch über diese Änderung schriftlich zu informieren. 

In welchen Fällen kann ein Bußgeld verhängt werden und wie hoch kann es ausfallen?

Das Gesetz hält fest, dass ein Arbeitgeber ordnungswidrig handelt, wenn er die Verpflichtungen aus dem Gesetz gar nicht, unrichtig, unvollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig erfüllt. Es können also Fehler sowohl auf der inhaltlichen Ebene, weil die Angaben nicht korrekt gemacht werden, und auf der formalen Ebene, weil Angaben nicht fristgerecht oder nicht in der vorgegebenen Schriftform gemacht werden, sanktioniert werden. Das Bußgeld kann bis zu 2.000 Euro betragen. 

Im Hinblick auf die Schriftformvorgabe ist noch Folgendes interessant. Die Änderungen des Nachweisgesetzes basieren auf unionsrechtlichen Vorgaben, die der deutsche Gesetzgeber in deutsches Recht umsetzen musste. Mit der Schriftformvorgabe geht die deutsche Gesetzgebung über die Vorgaben der EU hinaus. Im Zuge einer zunehmend digitaler werdenden Arbeitswelt, wäre eine Übermittlung der Angaben per E-Mail sicherlich arbeitgeberfreundlicher gewesen. 

Sie hatten erwähnt, dass die geänderten Regelungen für Einstellungen von Mitarbeitern ab dem 01.08.2022 gelten. Wie verhält es sich mit Mitarbeitern, die bereits vor diesem Datum eingestellt wurden? 

Auch die Rechte dieser Mitarbeiter sind im geänderten Nachweisgesetz geregelt. Hier muss der Arbeitgeber nicht von sich aus aktiv werden. Aber die Bestandsmitarbeiter können einen Nachweis nach den neuen Regeln des Nachweisgesetzes verlangen. Macht ein Mitarbeiter von diesem Recht Gebrauch, muss der Arbeitgeber den Nachweis an den Mitarbeiter aushändigen. Auch hier sieht das Gesetz für die unterschiedlichen Angaben unterschiedliche Fristen vor, nämlich einmal eine Woche und zum anderen einen Monat. Ich würde allerdings auch in diesem Fall empfehlen, sämtliche Informationen vollständig innerhalb einer Woche auszuhändigen. Zudem ist präventives Handeln empfehlenswert, um bei einer erhöhten Nachfrage vorbereitet zu sein und die Anfragen korrekt und fristgerecht beantworten zu können. 

Wir haben über die wichtigsten Änderungen des Nachweisgesetzes gesprochen. Häufig werden im Zuge einer Gesetzesänderung auch Vorschriften in anderen Gesetzen geändert. War das auch hier der Fall? 

In der Tat wurde nicht nur das Nachweisgesetz angefasst. Im Zuge dieser Gesetzesänderungen wurden einzelne Vorschriften in diversen Gesetzen geändert. Erwähnenswert finde ich insbesondere zwei Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz. Dort ist jetzt u.a. vorgesehen, dass der Arbeitgeber einem Mitarbeiter, der den Wunsch nach Veränderung der Dauer oder Lage seiner Arbeitszeit geäußert hat, eine begründete Antwort hierzu innerhalb eines Monats zukommen lässt. Des Weiteren ist jetzt vorgesehen, dass die Probezeit bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Verhältnis zur Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen muss. Hier kann man also nicht mehr einfach die 6-monatige Probezeit in den Vertrag schreiben, sondern muss sich, gerade bei kurzen Befristungen, Gedanken darüber machen, ob die Probezeit eventuell kürzer ausfallen sollte. Dies sind zwei Änderungen, von denen man gehört haben sollte. 

Außerdem sollte man die erweiterten Nachweispflichten nicht unerwähnt lassen, die bestehen, wenn ein Mitarbeiter seine Arbeitsleistung länger als vier Wochen im Ausland erbringt. Hieran müssen Arbeitgeber, z.B. bei Entsendungen, in Zukunft denken. 

Herr Leverkühn, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch zu diesem aktuellen Thema. 

Johann Moritz Leverkühn
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht
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