15. Juni 2022
Die A1-Bescheinigung – Entsendungen in EU / EWR / Schweiz

Viele Mitarbeiter haben in ihrem beruflichen Alltag im Ausland zu tun. Dies reicht von der kurzen Dienstreise anlässlich eines Geschäftstermins oder einer Konferenz bis zu mehrjährigen Auslandstätigkeiten. Eine Tätigkeit im Ausland hat allerdings für Arbeitnehmer und Arbeitgeber vielfältige rechtliche und steuerliche Folgen. Welche sozialversicherungsrechtlichen Aspekte bei einer vorübergehenden Tätigkeit in einem anderen EU-/ EWR-Staat bzw. der Schweiz zu beachten sind, soll im folgenden Überblick beleuchtet werden. 

Grundsatz: Territorialitätsprinzip 

Im Sozialversicherungsrecht gilt zunächst das sog. Territorialitätsprinzip. Dieses besagt, dass dort Sozialabgaben zu entrichten sind, wo die Tätigkeit ausgeübt wird. Dies würde bedeuten, dass auch bei nur vorübergehenden Auslandstätigkeiten Sozialabgaben im Ausland abzuführen wären und ggf. zusätzlich eine Versorgungslücke im Inland entstünde, weil dort keine Sozialversicherungspflicht mehr besteht. 

Sonderregeln EU / EWR / Schweiz 

Dass dies misslich ist, hat die Gesetzgebung erkannt und Möglichkeiten geschaffen, die den Verbleib in der inländischen Sozialversicherung bei vorübergehenden Auslandstätigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. Bei einer vorübergehenden Auslandstätigkeit innerhalb von EU, EWR und Schweiz sind die Regelungen einheitlich in der Verordnung (EG) 883/2004 sowie der Verordnung (EG) 987/2009 niedergelegt. Vereinfacht gesagt, ist ein Verbleib im inländischen Sozialversicherungssystem entsprechend den Verordnungen möglich, wenn die Auslandstätigkeit nicht länger als 24 Monate dauert, der Arbeitgeber gewöhnlich im Inland tätig ist, kein anderer entsandter Mitarbeiter abgelöst wird und eine arbeitsrechtliche Bindung zwischen Arbeitsgeber und Mitarbeiter während der Auslandstätigkeit bestehen bleibt. 

A1-Bescheinigung 

Liegen die in den Verordnungen normierten Voraussetzungen vor, ist also ein Verbleib in der inländischen Sozialversicherung auch während der vorübergehenden Auslandstätigkeit möglich, so ist dies durch eine sog. A1-Bescheinigung nachzuweisen. Diese Bescheinigung beinhaltet mithin im Outbound-Fall den Nachweis, dass der Mitarbeiter auch während des Auslandsaufenthalts der deutschen Sozialversicherung unterliegt. Diese Bescheinigung sollte vom betroffenen Mitarbeiter stets mitgeführt werden, weil im Einsatzland jederzeit eine Kontrolle stattfinden kann. Gerade in einigen unserer Nachbarstaaten hat die Kontrolldichte erheblich zugenommen. 

In Deutschland ist die A1-Bescheinigung bei der gesetzlichen Krankenkasse, dem Rentenversicherungsträger, der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen oder dem GKV-Spitzenverband (DVKA) zu beantragen. Welche Stelle zuständig ist, hängt davon ab, wie der betroffene Mitarbeiter kranken- bzw. rentenversichert ist. 

Die A1-Bescheinigung ist vom Arbeitgeber vor Beginn der Auslandstätigkeit zu beantragen. Die Beantragung kann im Regelfall nur noch auf elektronischem Weg erfolgen. Die elektronische Beantragung setzt jedoch ein Entgeltabrechnungssystem mit dem entsprechenden Modul voraus. Sofern dem Arbeitgeber kein entsprechendes Abrechnungssystem für die Beantragung zur Verfügung steht, können auch Steuerberatungskanzleien – sofern sie über die notwendigen Programme verfügen – die Antragstellung für den Arbeitgeber übernehmen. Wir bei Dierkes Partner verfügen über die entsprechenden Systeme und unterstützen Sie gerne. 

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass auch Selbstständige eine A1-Bescheinigung benötigen, wenn sie vorübergehend in einem anderen EU- / EWR-Staat oder der Schweiz tätig sind. 

Auslandstätigkeit ohne A1-Bescheinigung 

Lässt ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter ohne A1-Bescheinigung in einem anderen EU- / EWR-Staat oder der Schweiz tätig werden, kann dies gravierende Folgen haben. Es drohen teils empfindliche Bußgeld für den Arbeitgeber. Außerdem kann es in einer solchen Situation zu einer Minderung des Versicherungsschutzes des Mitarbeiters kommen. Kommt es dann zu einem Versicherungsfall (z.B. Krankheit, Arbeitsunfall) und erleidet der Mitarbeiter einen Nachteil aus dem fehlenden oder geminderten Versicherungsschutz, bestehen ggf. Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber, da in der Nichtbeantragung der A1-Bescheinigung eine Verletzung der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht zu sehen ist. Auch kommt es immer wieder vor, dass Mitarbeitern, die keine A1-Bescheinigung vorlegen können, im Einsatzland der Zutritt beispielsweise zu einem Werks- oder Messegelände verwehrt wird. Ein sinnvoller Einsatz des Mitarbeiters ist dann regelmäßig nicht mehr möglich. 

Wichtig zu wissen ist, dass selbst für kurze Dienstreisen bereits eine A1-Bescheinigung zu beantragen und bei der Dienstreise mitzuführen ist. Das Recht macht hier keinen Unterschied bezüglich Dauer und Art der Auslandstätigkeit. Daher ist vor jedem Grenzübertritt rechtzeitig an die A1-Bescheinigung zu denken. Kann die A1-Bescheinigung aufgrund der Kurzfristigkeit der Beantragung nicht rechtzeitig vor Beginn der Auslandstätigkeit ausgestellt werden, so sollte zumindest ein Ausdruck des Antrags mitgeführt werden. 

Für Mitarbeiter, die regelmäßig in zwei oder mehr EU- / EWR-Staaten oder Schweiz tätig sind, kann eine langfristige A1-Bescheinigung ausgestellt werden. Dies wäre z.B. möglich, wenn der Mitarbeiter neben seiner Tätigkeit in Deutschland noch an mindestens einem Tag im Monat oder mindestens an fünf Tagen im Quartal in Österreich tätig wäre. Auf diese Weise kann der administrative Aufwand etwas vermindert werden, da nicht vor jedem Einsatz in dem anderen Staat wieder eine neue A1-Bescheinigung beantragt werden muss. 

Tätigkeit außerhalb von EU / EWR / Schweiz

Soll die Auslandstätigkeit nicht in einem EU- / EWR-Staat oder der Schweiz, sondern in einem anderen Land stattfinden, kann keine A1-Bescheinigung ausgestellt werden. Allerdings ist auch in diesen Fällen mit ausreichend zeitlichem Vorlauf zu prüfen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen sowie in welchem Umfang ein Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem möglich ist und inwiefern hierüber Nachweise ausgestellt werden sollten. 

Was ist ansonsten noch zu beachten?

Aus den vorstehenden Ausführungen dürfte deutlich geworden sein, dass es zwingend erforderlich ist, rechtzeitig vor Beginn jeder Auslandstätigkeit in einem anderen EU- / EWR-Staat oder der Schweiz eine A1-Bescheinigung zu beantragen. Das Sozialversicherungsrecht ist allerdings nicht das einzige Rechtsgebiet, welches im Zusammenhang mit Auslandstätigkeiten Beachtung verdient. 

Arbeitgeber sollten sich in jedem Fall mit den jeweiligen Meldepflichten im Einsatzstaat vertraut machen, weil auch bei deren Verletzung empfindliche Bußgelder drohen und diese von Land zu Land variieren. Ferner sollte der Einsatz im Ausland arbeitsvertraglich zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter sauber abgebildet werden. Hier ist eventuell der Abschluss von Zusatzvereinbarungen erforderlich. Auch die steuerlichen Auswirkungen bei internationalen Mitarbeitereinsätzen sollten auf keinen Fall vernachlässigt werden. Und last but not least sollte man sich mit den zwingenden Bestimmungen des Einsatzlandes vertraut machen. Dies betrifft nicht nur das Arbeitsrecht und die Meldepflichten, sondern bei Ländern außerhalb der EU auch gerade das Aufenthaltsrecht, da ohne entsprechenden Aufenthaltstitel regelmäßig keine Tätigkeit aufgenommen werden darf.  

Sie brauchen Unterstützung? Wir sind für Sie da!

Sollten Sie planen, Ihre Mitarbeiter in einem anderen Land einzusetzen, kontaktieren Sie uns bitte rechtzeitig, damit es nicht zu bösen Überraschungen kommt. Wir beraten Sie gerne und können z.B. auch die A1-Bescheingung für Sie beantragen. Hinzukommt, dass wir dank Mitgliedschaften in internationalen Verbünden bei Bedarf Partnerkanzleien aus anderen Ländern einbinden können. Auf diesem Weg kann für die meisten Jurisdiktionen eine adäquate Beratung auch bei internationalen Sachverhalten sichergestellt werden.

Ansprechpartner:
Dr. Simone Wick – Johann Moritz Leverkühn – Sabine Boldt

Johann Moritz Leverkühn
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht
jmleverkuehn@dierkes-partner.de
Telefon +49 - (0)40 - 36156 - 122

Dr. Simone Wick
Steuerberaterin | Fachberaterin für Internationales Steuerrecht
swick@dierkes-partner.de
Telefon +49 - (0)40 - 36156 - 0