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5. Februar 2020
Neue Rechtsprechung stärkt Rechte gegenüber Bewertungsportalen

Seit Jahren stellen Bewertungsportale einen festen Bestandteil des Internets dar. Neben dem 2007 gegründeten und 2014 aufgelösten Lehrerbewertungsportal spickmich.de, hat sich heute eine Vielzahl solcher Plattformen etabliert. Hier kann angefangen bei Ärzten, Arbeitgebern und Handwerksbetrieben, über Hotels, Restaurants und Einzelhandel bis hin zu Friseuren sowie Produkten und Dienstleistungen jeder Art nahezu alles bewertet werden. Hinzu kommen Bewertungsfunktionen auf Social-Media Plattformen wie Facebook oder Google, deren Bewertungen sogar in prominenter Lage häufig als erste Treffer bei einer Suche angezeigt werden. Kein Wunder, dass Onlinebewertungsportale ein Dauerbrenner der Rechtsprechung sind.

Die Bedeutung der Bewertungsportale für mittelständische Unternehmen

Bewertungsportale machen vor allem Mittelständler sichtbar. Gibt es keine eigene Website, ist die (un-)freiwillige Präsenz auf Bewertungsplattformen meist die einzige frei zugängliche Informationsquelle für Kunden. Wer einen Arzt benötigt, sucht z.B. bei jameda, potenzielle Bewerber holen ihre Informationen über den Arbeitgeber u.a. bei kununu ein, und wer ein neues Restaurant besuchen möchte, liest die Bewertungen bei TripAdvisor & Co.
Bewertungsportale sind damit auch Werbung. Positive Bewertungen der „Community“ stellen einen handfesten Wettbewerbsvorteil dar. Negativbewertungen bringen hingegen erhebliche Wettbewerbsnachteile. Durch Übertreibungen oder mutwillige Falschbehauptungen kann so ein verzerrtes Bild entstehen, welches für jedermann abrufbar öffentlich im Internet zu finden ist.

Die Rechtsprechungsentwicklung

In der Vergangenheit waren Einträge auf Bewertungsportalen daher vielfach Gegenstand von Gerichtsverfahren. Zweck der Klagen war dabei entweder die Löschung einzelner Bewertungen oder die komplette Entfernung eines Profils auf dem beklagten Bewertungsportal. Bisher ist hierzu schon eine Reihe von Urteilen des Bundesgerichtshofs ergangen.

„spickmich.de“ – Onlinebewertungsportale sind zulässig

Die erste Entscheidung zu Onlinebewertungsportalen war das „spickmich.de“-Urteil des BGH vom 23.06.2009 (VI ZR 196/08). Diese Entscheidung stellt die bis heute maßgebliche Grundsatzentscheidung zum Betrieb von Onlinebewertungsportalen dar. Dabei stellte der BGH klar, dass die Speicherung und Übermittlung von personengebundenen Daten über Lehrer in Form von Onlinebewertungsportalen grundsätzlich rechtmäßig ist. Eine Abwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit der Bewertenden und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht falle in solchen Fällen grundsätzlich zugunsten der Meinungsäußerungsfreiheit aus, so der BGH. Anders sei dies nur bei schwerwiegenden Eingriffen in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, etwa durch Schmähkritik oder Beleidigungen.

„Ärztebewertung I“ – Kein Anspruch auf Offenlegung der Identität des Bewertenden

Gegen den Bewertenden vorzugehen gestaltet sich als schwierig – denn dieser tritt in der Regel ja anonym auf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht auch kein Anspruch des Betroffenen gegen den Portalbetreiber auf Offenlegung der Identität (VI ZR 345/13 – „Ärztebewertung I“). Die einzige Möglichkeit ist daher in der Regel ein Vorgehen gegen den Portalbetreiber selbst.

„Ärztebewertung II“ – kein Anspruch auf Löschung aus Bewertungsportal

Am 23.09.2014 entschied der BGH (VI ZR 358/13), dass grundsätzlich kein Anspruch auf Löschung aus einem Bewertungsportal bestehe. Die Kommunikationsfreiheit des Portalbetreibers überwiege das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Bewerteten.

„jameda II“ – Eingehende Prüfungspflicht des Portalbetreibers

Am 01.03.2016 entschied der BGH (VI ZR 34/15), dass der Portalbetreiber bei einer behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung, die so konkret gefasst ist, dass ein Rechtsverstoß auf dieser Grundlage bejaht werden kann, den Sachverhalt eingehend zu prüfen und eine Stellungnahme des Bewertenden einzuholen habe. Der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfordert damit, dass der Portalbetreiber eine verhältnismäßige, aber gewissenhafte Prüfung der Vorwürfe vornimmt. Dazu zählt vor allem auch, von dem Bewertenden einen Nachweis über den Behandlungskontakt einzufordern.

Rechtsprechungsentwicklung 2018/2019 und Ausformung von „jameda II“

Jüngere Urteile haben die aufgestellten Prüfungspflichten der Bewertungsportale bei der Löschung negativer Bewertungen weiter ausgestaltet.
Das LG Hamburg hat in einem Urteil vom 12.01.2018 (324 O 63/17, nicht rechtskräftig) entschieden, dass eine negative 1-Stern Bewertung, welche nicht mit einem Kommentar versehen ist, einen Unterlassungsanspruch gegen den Portalbetreiber begründen kann. Bestreitet der Bewertete die Patienteneigenschaft des Bewertenden, trifft den Portalbetreiber die Darlegungslast für einen vorangegangenen Patientenkontakt.

Dem schloss sich mit Urteil vom 13.06.2018 (9 O 59/17) das LG Lübeck an und urteilte, dass eine Bewertung ohne Kundenkontakt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt. Den Portalbetreiber treffe die Pflicht nachzuweisen, dass ein Kontakt stattfand.

In gleich drei Urteilen entschied das OLG München am 13.11.2018 (18 U 1280/16, 18 U 1281/16 (nicht rechtskräftig) und 18 U 1282/16) über Rechtsstreitigkeiten mit Portalbetreibern. So haftet der Portalbetreiber selbst als unmittelbarer Störer, wenn er eine Durchschnittsbewertung nicht aus allen abgegebenen Bewertungen berechnet, sondern Bewertungen aussondert, die nicht offensichtliche Fälschungen sind.

Das LG Braunschweig hat in einem Urteil vom 28.11.2018 (9 O 2616/17) der Klage eines Arztes auf Löschung einer anonymen Bewertung stattgegeben. Der klagende Arzt bestritt, den Bewertenden behandelt zu haben. Als Nachweis eines Behandlungskontaktes konnte das Bewertungsportal nur eine teilweise Beschreibung der Praxisräume und der Praxislage vorlegen. Das LG Braunschweig entschied, dass das Bewertungsportal seinen strengen Prüfungspflichten nicht nachgekommen sei, da kein ernsthafter Versuch zur Prüfung der Berechtigung der Beanstandung unternommen wurde. Eine Beschreibung der Praxis genüge als Nachweis eines Behandlungskontakts nicht aus.

Übertragbarkeit auf andere Branchen

Andere Branchen verfügen zwar regelmäßig über keine vergleichbaren Auskunftsansprüche wie Krankenkassen, nichtsdestotrotz existieren auch hier regelmäßig Belege für einen Geschäftskontakt, wie beispielsweise Verträge, Kostenvoranschläge, Rechnungen, Kassenbelege, etc. Grundsätzlich kann somit erwartet werden, dass geeignete Mittel als Beleg für eine tatsächliche Geschäftsbeziehung vorgelegt werden. Dies ist jedoch keinesfalls eine allgemeingültige und immer notwendige Voraussetzung. Der BGH betont, dass sich der notwendige Überprüfungsaufwand im Einzelfall aus einer Interessenabwägung zwischen den betroffenen Grundrechten der Beteiligten ergibt und auch die Erkenntnismöglichkeiten des Providers maßgeblich sein sollen. Insofern kann sicherlich erwartet werden, dass aufzubewahrende Belege, wie Handwerker- oder Hotelrechnungen, vorgelegt werden können. Hingegen kann nur bei außergewöhnlichen Umständen erwartet werden, dass die Rechnung eines Restaurants als Beleg vorgezeigt wird, da diese regelmäßig nicht mitgenommen wird.

Fazit

Für Bewertete gestaltet sich die derzeitige rechtliche Situation mit Onlinebewertungsportalen auch bezüglich negativer Bewertungen als eher unbefriedigend. Ihre Position ist schon deshalb schwach, da der Verfasser der Bewertung regelmäßig unbekannt bleibt und auch der Portalbetreiber nur über eine E-Mail-Adresse verfügt. Die jüngere Rechtsprechung zeigt aber deutlich, dass es sehr wohl möglich ist, rechtlich gegen die Portalbetreiber vorzugehen. Dies erfordert eine detaillierte Einzelfallprüfung und erhebliches Fingerspitzengefühl im Umgang mit der sensiblen Abwägung zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Sebastian Schütt
Rechtsanwalt
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