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4. Mai 2020
Home-Office wegen Covid-19: Sonderregelungen für Grenzpendler

Im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus arbeiten derzeit viele Arbeitnehmer im Home-Office. Für Personen, die in einem Staat leben und in einem anderen Staat arbeiten (sogenannt „Grenzpendler“) kann das unerwartete Konsequenzen haben: Je nach Tätigkeitsstaat und dem somit anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) kann sich die Besteuerung des Arbeitslohns grundlegend ändern. Mit Österreich [1], Luxemburg [2] und den Niederlanden [3] hat Deutschland nun Konsultationsvereinbarungen abgeschlossen, um steuerliche Nachteile für Grenzpendler“, die ihre Tätigkeit Covid-19-bedingt im Home-Office ausführen, zu vermeiden. Anhand von Beispielen im deutsch-österreichischen Kontext stellen wir die wichtigsten Sonderregelungen im Folgenden dar.

 

Grundsätzliche Regelung für grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer

Gemäß dem deutsch-österreichischen DBA dürfen die Vertragsstaaten jeweils grundsätzlich den Anteil des Arbeitslohns besteuern, der auf eine in ihrem Gebiet ausgeübte Tätigkeit entfällt.

  • Beispiel: Der Arbeitnehmer A lebt in Deutschland und arbeitet im Jahr 2019 an den drei mittleren Wochentagen im Büro seines österreichischen Arbeitgebers. Freitags und montags übt er seine Tätigkeit im Home-Office aus, damit er bei seiner Familie sein kann. A gilt damit nicht als Grenzgänger im Sinne des DBA Deutschland-Österreich (siehe unten). Bei konstantem Arbeitslohn besteuert Österreich 3/5 des Arbeitslohns (entfällt auf die Tätigkeit im Büro). Deutschland besteuert die restlichen 2/5 des Arbeitslohns (entfällt auf die Tätigkeit im Home-Office).

Abhängig von den jeweiligen nationalen Steuergesetzen und insbesondere den Steuersätzen können sich für den Steuerpflichtigen durch die Verschiebung des Tätigkeitsortes Vor- oder Nachteile ergeben. Im Rahmen der Konsultationsvereinbarung haben Deutschland und Österreich in dieser Hinsicht nun die Möglichkeit geschaffen, durch das Corona-Virus bedingte negative Folgen zu vermeiden: Danach können Arbeitstage, an denen Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie im Home-Office ausgeübt haben, als im eigentlichen Tätigkeitsstaat verbrachte Arbeitstage gelten.

  • Fortsetzung des Beispiels: Im April und Mai 2020 erbringt A seine gesamte Arbeitsleistung im Home-Office. Wenn er von seinem Wahlrecht gemäß Konsultationsvereinbarung Gebrauch macht, gelten die aufgrund der Covid-19-Maßnahmen zusätzlich im Home-Office verbrachten Arbeitstage als in seinem eigentlichen Tätigkeitsstaat Österreich verbracht.

Die Regelung gilt ausdrücklich nicht für Arbeitstage, die unabhängig von den Maßnahmen gegen das Corona-Virus im Home-Office ausgeführt worden wären. Wird die Regelung genutzt, sind die Tage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit Covid-19-bedingt im Home-Office ausgeübt hat, aufzuzeichnen und vom Arbeitgeber bestätigen zu lassen. Die Regelung ist nur anwendbar, soweit der Arbeitslohn, der auf die Tage im Home-Office entfällt, im eigentlichen Tätigkeitsstaat tatsächlich besteuert wird. Eine tatsächliche Besteuerung im Sinne der Regelung liegt vor, wenn der Arbeitslohn in die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Steuer einbezogen wird. Die Regelung gilt zunächst bis zum 30. April 2020 und wird bis zur Kündigung eines der Vertragsstaaten automatisch um je einen Monat verlängert.

 

Mit Luxemburg und den Niederlanden hat Deutschland im Wesentlichen äquivalente Sonderregelungen vereinbart, wobei mit den Niederlanden zusätzlich Folgendes vereinbart wurde: Bei der Bestimmung des Anteils der im Tätigkeitsstaat und der im Wohnsitzstaat verbrachten Arbeitstage an den gesamten Arbeitstagen werden bezahlte, untätig zu Hause verbrachte Arbeitstage so gewertet, als habe der Arbeitnehmer seine Tätigkeit am für diese Tage vorgesehenen Ort weiterhin ausgeübt.

 

Zudem enthalten die Konsultationsvereinbarungen Regelungen bzgl. der Behandlung von Kurzarbeitergeld und ähnlichen Zahlungen.

 

Sonderfall: Deutsch-österreichische Grenzgängerregelung

Das DBA mit Österreich enthält zudem eine spezielle Grenzgängerregelung für Arbeitnehmer im Grenzgebiet – definiert als ein Grenzstreifen entlang der Grenze von 30 km – wobei für die Berechnung der Entfernung die Luftlinie und nicht die Zahl der Straßenkilometer maßgeblich ist.

Ist ein Arbeitnehmer Grenzgänger im Sinne dieser Regelung, wird der Arbeitslohn aus seiner Tätigkeit durch den Wohnsitzstaat und nicht den Tätigkeitsstaat besteuert. Bedingung für den Grenzgängerstatus ist unter anderem, dass der Arbeitnehmer eine festgelegte Anzahl an „Nichtrückkehrtagen“ nicht überschreitet. Als Tage der Nichtrückkehr gelten Arbeitstage, an denen ein Arbeitnehmer nicht von seinem Arbeitsort an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Im Home-Office verbrachte Tage gelten auch als Tage der Nichtrückkehr. [4] Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus arbeiten viele Arbeitnehmer nun signifikant öfter im Home-Office und laufen daher Gefahr, nicht mehr als Grenzgänger im Sinne des DBA zu gelten.

Verliert ein Arbeitnehmer seine Grenzgängereigenschaft, kommt es zu der für andere Arbeitnehmer geltenden Aufteilung der Besteuerungsrechte nach DBA: Jeder Staat besteuert grundsätzlich den Anteil des Arbeitslohns, der auf die dort verbrachten Arbeitstage entfällt (siehe oben)

  • Beispiel: Arbeitnehmerin B wohnt in Freilassing und arbeitet in Salzburg. Beide Orte liegen in der für die Grenzgängerregelung des deutsch-österreichischen DBA maßgebenden Grenzzone.

Im Jahr 2019 kehrte B an 30 Arbeitstagen nicht von ihrem Tätigkeitsort an ihren Wohnort zurück und überschritt damit nicht die Höchstgrenze für Tage der Nichtrückkehr von 45 Tagen. Auch sonst lag kein Ausschlussgrund für die Anwendung der Grenzgängerregelung vor. Da B im Jahr 2019 Grenzgängerin im Sinne des DBA war, unterlag ihr Arbeitslohn allein der deutschen Besteuerung.

Im Jahr 2020 allerdings führt B ihre Tätigkeit an insgesamt 120 Tagen im Home-Office und an 120 Tagen am Arbeitsort Salzburg aus. Weil die Höchstgrenze für Tage der Nichtrückkehr überschritten ist, gilt B eigentlich nicht mehr als Grenzgängerin im Sinne des DBA. Im Ergebnis dürfte Österreich den Lohn besteuern, der auf die 120 Tätigkeitstage in Salzburg entfällt. Deutschland würde nur den Lohn besteuern, der auf die 120 Tage im Home-Office entfällt.

Auch hier könnten sich bedingt durch die Nichtanwendung der Grenzgängerregelung negative steuerliche Folgen ergeben. In Folge der Konsultationsvereinbarung gelten Arbeitstage, die nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie im Home-Office verbracht werden, auf Antrag allerdings nicht als Tage der Nichtrückkehr.

  • Fortsetzung des Beispiels: 90 der insgesamt 120 Tage im Home-Office sind allein auf die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 zurückzuführen. Weil diese Tage nicht als Tage der Nichtrückkehr gelten, ist die Höchstgrenze von 45 Tagen nicht überschritten. Der Arbeitslohn der B kann allein der deutschen Besteuerung (wie im Jahr 2019) unterliegen.

Für Arbeitstage, die ein Arbeitnehmer unabhängig von den Maßnahmen im Home-Office oder in einem Drittstaat verbracht hätte, gilt die Regelung ausdrücklich nicht.

 

Im Ergebnis ermöglichen die erläuterten Sonderregelungen die Vermeidung steuerlicher Nachteile für Grenzpendler der betroffenen Länder. Diese können ihnen dadurch entstehen, dass sie aufgrund der Maßnahmen gegen das Corona-Virus vermehrt im Home-Office tätig sind. Unter Umständen können sich aber auch ohne Anwendung der Sonderregelungen steuerliche Vorteile ergeben. Es empfiehlt sich daher, die im Einzelfall resultierenden Konsequenzen unter Zuhilfenahme von Beratern in den beiden betroffenen Ländern genau zu erörtern.

[1] Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 15. April 2020; Besteuerung von Grenzpendlern und Grenzgänger, IV B 3 – S 1301-AUT/20/10002 :001.

[2] Verständigungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg vom 3. April 2020: Besteuerung von Grenzpendlern nach Luxemburg, IV B 3 – S 1301-LUX/19/10007 :002.

[3] Konsultationsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande vom 6. April 2020: Besteuerung von Grenzpendlern, IV B 3 – S 1301-NDL/20/10004 :001.

[4] Siehe Schreiben betr. Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag vom 24. August 2000, zuletzt geändert durch das Änderungsprotokoll vom 29. Dezember 2010 (DBA-Österreich); Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art. 15 Abs. 6 DBA-Österreich vom 18. April 2019 (BStBl. I S. 456), BMF IV B 3 – S 1301-AUT/07/10015-02.

Dr. Simone Wick
Steuerberaterin | Fachberaterin für Internationales Steuerrecht
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