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11. Juni 2020
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – Was gilt es zu beachten?

Mit dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags (§ 15a InsO, § 42 Abs. 2 BGB) bis zum 30. September 2020 grundsätzlich ausgesetzt worden. Doch Vorsicht: Dies gilt grundsätzlich nur für Unternehmen, bei denen die Insolvenzreife wegen Zahlungsunfähigkeit besteht und diese auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht. Ferner muss die berechtigte Aussicht bestehen, die Zahlungsunfähigkeit wieder beseitigen zu können bis zum 30.09.2020. Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, findet das neue COVInsAG keine Anwendung, so dass in dem Fall ein unterlassener Insolvenzantrag später unerwünschte Strafbarkeits- und persönliche Haftungsrisiken zur Folge haben könnte. Geschäftsführer sollten daher folgende Hinweise beachten:

1.       Grund für die Zahlungsunfähigkeit muss Corona sein – Bei wem liegt die Beweislast?

Wie bereits geschildert, ist die Voraussetzung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt und diese ausschließlich durch die Corona-Pandemie verursacht wurde. Ferner muss die Aussicht bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Laut Gesetzgeber kann dies vermutet werden, wenn das Unternehmen am 31.12.2019 nicht bereits zahlungsunfähig war. Die Unternehmen haben die konkrete Betroffenheit von der Corona-Pandemie sowie die zukünftige mögliche Beseitigung des Liquiditätsengpasses nicht nachzuweisen. Die Beweislast hierzu wurde umgekehrt. Vielmehr muss der Insolvenzverwalter beweisen, dass die Antragspflicht nicht ausgesetzt war.

Sollte sich ein Unternehmen bereits vor dem 31.12.2019 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden haben, sollte man dennoch von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Insolvenzrechtsexperten prüfen lassen, ob am 31.12.2019 bereits eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat. Eine noch nicht bestehende Zahlungsunfähigkeit sollte anhand von Unterlagen nachgewiesen werden können. Dies gelingt am besten durch einen Finanzstatus per 31.12.2019. Dieser sollte aufgestellt werden unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit. Hintergrund hierfür ist, dass für den Fall, dass ein Unternehmen später doch Insolvenz anmelden muss, alles nochmal im Detail geprüft wird. Sollte der Insolvenzverwalter dann zu der Erkenntnis kommen, dass das Unternehmen bereits vor der Corona-Pandemie zahlungsunfähig und die Zahlungsunfähigkeit somit nicht auf Corona zurückzuführen ist, würde das Gesetz zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht greifen. Dies hätte zur Folge, dass zum einen ein Strafverfahren wegen Insolvenzverschleppung eingeleitet werden kann und zum anderen der Geschäftsführer ab dem Tag der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit persönlich für alle Zahlungen der Gesellschaft in Haftung genommen werden kann. Die bloße Einschätzung bzw. Aussage eines Geschäftsführers darüber, dass das Unternehmen noch zahlungsfähig ist, reicht nicht aus.

2.       Nur Zahlungen, die dem unmittelbaren Geschäftsbetrieb dienen

Folgt man dem neuen Gesetzeswortlaut, sollen nur Zahlungen getätigt werden können, die der Aufrechterhaltung bzw. Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen. Hierunter fallen z. B. Löhne, Stromkosten, Miete oder Betriebsmittel. Bei freiwilligen, nicht vertraglich geregelten Zahlungen wie z. B. Bonuszahlungen an Mitarbeiter ist hingegen Vorsicht geboten. Ebenfalls hier besteht das Risiko, dass bei einer späteren Insolvenz der Geschäftsführer für alle Zahlungen haftbar gemacht wird, die nicht dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gedient haben.

3.       Bestellungen müssen fristgerecht bezahlt werden können

Steht bereits fest, dass bei Bestellungsaufgabe die entsprechende Rechnung nicht innerhalb der Frist bezahlt werden kann, sollte mit Blick auf einen sogenannten Eingehungsbetrug von der Bestellung abgesehen werden. Da bei einem Eingehungsbetrug vom Auftraggeber die Absicht vorgetäuscht wird, die ihm aus einem Vertrag erwachsenden Verpflichtungen zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit erfüllen zu wollen, tritt diese Art von Betrug sehr schnell ein, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig ist.

Zur Verhinderung eines Eingehungsbetrugs ist es daher dringend notwendig, fortlaufend eine detaillierte Liquiditätsplanung zu erstellen. Vor jeder Bestellung sollte dann anhand dieser geprüft werden, ob die Rechnung fristgerecht bezahlt werden kann oder nicht.

 

Um also später nicht persönlichen Haftungs- oder Strafbarkeitsrisiken Gefahr zu laufen, sollte eine genaue Prüfung der Anwendbarkeit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durchgeführt werden. Ist man der Meinung, dass das Unternehmen am 31.12.2019 noch zahlungsfähig gewesen ist und man somit von der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Gebrauch machen möchte, sollte man sich die zum 31.12.2019 noch bestehende Zahlungsfähigkeit von einem Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Insolvenzrechtsexperten bestätigen lassen. Eine solche Dokumentation ist insbesondere dann dringend notwendig, wenn später die Frage nach einer möglichen Insolvenzverschleppung im Raum stehen sollte.

 

Carsten Deecke
Wirtschaftsprüfer | Steuerberater | Fachberater für Sanierung u. Insolvenz­verwaltung (DStV e.V.)
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